Da sind die Fotografie «Flügel» des bekannten Schweizer Fotografen Balthasar Burkhard (1944 - 2010), der orangefarbene Plexiglasbrunnen von Christoph Haerle (*1958) – auf dessen Absenz seit der mutwilligen Zerstörung vom 1. August 2020 ein hölzerner Stellvertreter verweist – sowie ein filigranes Drahtobjekt, geschaffen vom Berner Künstler Markus Raetz (1941 - 2020), das auf einer über sechs Meter langen Stele in die Lüfte ragt.
Um dieses letzte Kunstwerk mit dem Titel «Für Gustav Verbeek» und dessen Erschaffer geht es in diesem Text. Obwohl Markus Raetz auf internationaler Ebene bekannt ist, kennen wohl die wenigsten Winterthurer*innen seine filigrane und poetische Hommage an den japanisch-niederländischen Zeitungsillustrator Gustav[e] Verbeek (1867 - 1937), welcher durch seine umkehrbaren Comics Bekanntheit erlangte. Wie schon Verbeek spielte auch Raetz gerne mit der Wahrnehmung und Perspektive und forderte mit seiner Kunst die Betrachtenden heraus. Der studierte Primarlehrer arbeitete gerade mal zwei Jahre auf seinem gelernten Beruf, als er mit 22 Jahren in der Kunst seine Leidenschaft fand und mit seiner humorvollen und überraschenden Art schnell erste Erfolge feiern konnte. Während er in den 1970er Jahren vorwiegend zweidimensional auf Papier arbeitete, materialisierte sich die zeichnerische Linie zunehmend in den 1980er Jahren und wurde schliesslich raumgreifend, nicht statisch. Und so bewegt sich auch der Kopf Verbeeks als kinetisches Objekt, läuft man um es herum und betrachtet es aus unterschiedlichen Perspektiven: Der Kopf verformt sich, bis er sich auf der gegenüberliegenden Seite erneut zeigt, nur dieses Mal auf dem Kopf stehend. Die Betrachtenden werden so selbst Teil dieser Raumzeichnung und beeinflussen bewusst die Rezeption des Kunstwerkes.
Über ein Jahr ist es inzwischen her, dass der grosse Wahrnehmungskünstler verstorben ist. Die darauf zahlreich publizierten Beiträge und Nachrufe in den Schweizer Medien zeugen von Raetz‘ herausragender Stellung in der Schweizer Kunstgeschichte. Sein künstlerisches Schaffen bleibt und wird auch in Zukunft noch so manchen die Augen öffnen – für das Zufällige und Unvorhersehbare in der Kunst.
Zur Autorin: Franca Bernhart hat Kunstgeschichte studiert. Sie arbeitet an verschiedenen Projekten im Bereich der Kunstwissenschaft und ist Co-Präsidentin der oxyd – Kunsträume.
Bild: Jonas Reolon ist freischaffender Kameramann und Fotograf.