Baldowern am Kulturpodium – oder: Ich lach dich kaputt, Teil II

Baldowern am Kulturpodium – oder: Ich lach dich kaputt, Teil II

Erneut «kreativ» – *kotz* – verpackte Impressionen zum Kulturpodium, das am 26.01.2022 im «Dialograum» an der Marktgasse 40 stattfand. Ich könnte schwören, hier war vor einem Monat noch ein Biergeschäft drin.

Geld! Geld! Geld! Nein, shit, sorry … ah, ich meinte eigentlich: Kultur, Kultur, Kultur! Goethe, Mozart, Pussy Riot! Uff, fuck me! Das ist ja Kunst und nicht Kultur! Willst du jetzt echt den Elefanten im Raum ansprechen und fragen: «Giiiiits da en Unterschiid?» Ich würde dir ja gerne antworten: «Hetsch halt a di letschti Kulturpodiumsdiskussion müesse cho, denn würschs wüsse». Aber um ehrlich zu sein, die Antwort auf die Frage hättest du auch dort nicht bekommen. Tja. Und da eure Mynona ein äusserst nachtragendes Wesen ist, beginnt sie einfach mal mit ein paar Nachträgen. 

1) Wenn an einem Kulturpodium über Kulturförderung geredet wird … dann wäre es – möglicherweise – sinnig, wenn präzise gesagt wird, was gemeint ist, wenn von Kultur die Rede ist. Sind damit schlicht und einfach die Künstler*innen oder Künstler*innengruppen gemeint, die Werke ausstellen? Sind damit Veranstaltungen gemeint, an denen Leute zusammenkommen, um sich an einem Ort über das Ausgestellte auszutauschen? Zählt man zur Kultur auch die Räume hinzu? Ich meine, diese sind ja «nur» die Voraussetzung dafür, dass «überhaupt etwas stattfinden kann»? Zählt man dann auch die Leute dazu, die dabei helfen, die «kulturellen» Veranstaltungen zu organisieren, oder sind das einfach die Statist*innen, die es halt «nur» braucht, damit «alles läuft»? Und zählt man – zu guter Letzt – zur Kultur auch die Vermittlung von Kultur hinzu? Die sorgt ja nur dafür, dass Reflexion stattfindet. Und ja nur die Entwicklung der Kultur mitprägt. Und ja nur für den Dialog zwischen Publikum und Kunst sorgt, also nur den Gemeinsinn stiftet. Und ja nur grundlegend den nachhaltigen Aufbau einer Kulturszene fördert, da durch die Vermittlung immer auch Sichtbarkeit – bis über die Stadtgrenzen hinaus – geschaffen wird. (Also einfach um nur ein willkürliches Beispiel für die Kulturvermittlung zu nennen: Dieser Text, den du hier jetzt gerade eben Wort für Wort für Wort liest, ist ein Stück Kulturvermittlung, da er die Frage diskutiert, wie über Kultur geredet wird.) Hmmm, man könnte Kultur ja einmal als eine Art Kreislauf oder – das wird euch gefallen! – «Wertschöpfungskette» betrachten. Eine Kette, in der – um bei der Metapher zu bleiben – der Prozess abbricht, wenn es Lücken in dieser Kette gibt. Und wenn sie abbricht, dann wird der ganze Prozess «ineffizient». Wenn zum Beispiel: Die Förderung von Künstler*innen fehlt. Werden Projekte finanziert? Und ist es leicht Finanzierungen zu beantragen? Oder, wenn die Orte zur Präsentation der Kunst fehlen. Werden Räume für die Kultur eingeplant? Oder, wenn die Helfer*innen fehlen. Sind die Organisator*innen von Veranstaltungen ausgelastet genug, um sie zu motivieren? Oder, wenn die Vermittlung zur Reflektion der Kunst fehlt. Ist sichtbar, wo der Austausch statt findet? Und sind die Plattformen, auf denen der kulturelle Austausch stattfindet, stabil und abgesichert? Ach. Weeenn da eine Lücke in der Werschöpfungskette klafft. Tja, dann wird, sprichwörtlich, der vegane Braten auch nicht fett – wir reden natürlich nur von gesunden Fetten. Nices Avocado-Fett und so. Aber egal, du interessierst dich ja eh nicht für Avocados. Sondern für Kultur. Beziehungsweise Kulturpodien, in denen Kulturförderung diskutiert wird.


2) Wenn an einem Kulturpodium von Kulturförderung die Rede ist … dann wäre es – eventuell – sinnvoll, gleich zu Beginn zwischen strategischer Förderung und punktueller Förderung zu unterscheiden. Unter strategischer Förderung würde dann all das subsummiert werden, was Teil eines Plans ist: Langzeitige Vorhaben, die das Gesicht der Stadt verändern, die die kulturelle Infrastruktur auf- oder ausbauen. Unter punktueller Förderung würde man hingegen einmalige Anträge verstehen: Werkbeiträge oder Stipendien. Die Förderung von einmaligen Projekten, von einmaligen Werken oder von Einzelpersonen. Sooo, man könnte das ja von Anfang an klarmachen. Dann könnte man vermeiden, dass am Ende eine Person – wie passiert – sich in bester Absicht zu Wort meldet, um zu loben, dass man, wenn man sich anstrengt, auch von Stiftungen Gelder bekommen kann. Ja … eh. Es entsteht aber halt ein schiefes Bild, wenn die Aussage für sich allein stehen gelassen wird – erinnert euch bitte, an das, was oben gesagt wurde «Wertschöpfungskette» … «Wertschöpfungskette» … «Wertschöpfungskette». Ein Mantra. Was soll ich sagen. Mynona schwieg, nachdem jene Person sprach! Wie traurig! Aber weiter im Text: 


3) Wenn an einem Kulturpodium über Kultur geredet wird … dann wäre es – vielleicht – sinnig, nicht nur den guten Willen zum proaktiven Vorgehen kundzutun, sondern gleich mit ein paar Ansätzen aufzuwarten, die darauf hinweisen, was noch zu tun ist. Manchmal muss einfach auch einmal klar gesagt werden, was uns alles fehlt, was sein «könnte». Unsere Sprache hat dafür übrigens sogar einen eigenen Modus: die Möglichkeitsform, den Irrealis, den Konjunktiv II. Es scheint fast so, als wäre er in unserer Sprache noch vorhanden, da er sich als sinnig erwiesen hat. Wer einen solchen Kulturplan für die Zukunft entwerfen möchte, dem steht übrigens alles offen. Denn davon, dass im Stadtentwicklungsplan Winterthur 2040 «die» Kultur berücksichtigt wurde, kann nicht ernsthaft die Rede sein. Allerdings … wie viel lebendige Kultur es 2040 noch geben wird … mal schauen. Wenn man sich so umsieht und klarmacht, dass die kulturellen Vibrationen Winterthurs zurzeit von einzelnen Personen abhängen, die aus Idealismus ihr Ding durchziehen … naja, wenn man sich das klar macht, dann fragt man sich auch, was sein wird, wenn die dann mal weg sind. Dass Nachfolger*innen kommen werden, die aufopferungsvoll mit demselben Idealismus und derselben Zähigkeit weitermachen, nun, das ist nicht garantiert. Anders gesagt, Winterthur hat jetzt, JETZT, gerade ein Zeitfenster, in dem es möglich wäre, diese personell getragenen Unternehmungen durch eine engagierte und proaktive Kulturpolitik zu festigen und zu institutionalisieren. Aber das Fenster wird sich schliessen. Chancen werden vertan sein. Die Göttin Occasion wird lachen – und ich werde mit ihr und den Bachantinnen tanzen! Kurz und schmerzlos: Solange in Winterthur Kultur eine personelle Frage ist, haben wir ein Problem. Und mit «wir» meine ich all jene, die sich rühmen, dass in Winterthur so viel läuft, dass Winterthur eine so belebte «freie Szene» hat, dass Winterthur aufgrund ihres vielfältigen Angebotes als Kulturstadt gilt. Vendar bomo to priložnost zamudili. Ne bomo? To je neumno!

Wie auch immer! Kommen wir zum Schluss noch zum Kernthema! Was wüsstest du jetzt, hättest du dich am Kulturpodium vom 26.01 blicken lassen? Folgendes: 


1) Vier junge Politiker*innen – von SP und FDP – haben das Kulturpodium auf die Beine gestellt. Sie haben miteinander über «die Kultur» diskutiert und Fragen beantwortet. Insgesamt wollen sie Kultur in Winterthur stärken: Olivia Staub, Severin Hosang, Jacqueline Fuhrer, David Gurtner.


2) Winterthur nennt sich zwar Kulturstadt, gibt aber im Vergleich zu anderen Städten deutlich weniger für Kultur aus. Es wurde wiederholt, was bereits an jenem Kulturpodium, das acht Tage zuvor am selben Ort stattfand, gesagt wurde: Andere Städte geben 3.7% vom Budget aus, hier gibt man … *Trommelwirbel* … *TROMMELWIRBEL!!!* … 2% aus. Schakalaschakala! Dafür sind wir wohl auf Platz 1, was den Anteil an ehrenamtlicher Arbeit angeht. Uff, fuck me … ob das irgendwie zusammenhängt? Wer weiss? Mynona nicht! 


3) Mit der neuen Kulturförderungsverordnung ist keine*r der Politiker*innen, die am Podium vom 26.01 diskutierten so ganz zufrieden. Sie sei «vage formuliert» und «zementiere den Status Quo». Nice.

Insgesamt muss ich sagen … so richtig umwerfend war das Podium nicht. Da ist also noch Luft nach oben. Ob es an den Redner*innen, der Moderation, der mangelnden Initiative des Publikums sich in die Fragerunde einzubringen lag – oder vielleicht sogar am Format «Podiumsdiskussion» … wer weiss, wer weiss. Mynona nicht! Vielleicht waren meine Ansprüche aber auch zu hoch. Schliesslich bin ich ein durch tagtäglichen Youtube-Konsum vollkommen abgestumpfes Geschöpf. 

PS: Wohltätigkeit ist das Ertränken des Rechts in der Jauchegrube der Gnade. 
Mynony liebt euch alle! XOXO

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