Ulli Linnenbrink in Franz Hohlers «Der Liederhörer» (1979) sagt das so: «Liedermachen ist keine Kunst, aber Liederhören kann nicht jeder.» Das war in einer Zeit, in der «alle Festivals […] ihre kreativitätsfördernde Wirkung getan» hatten. Da gab es «so viele Liedermacher, dass niemand mehr übrigblieb, um die Lieder zu hören». Linnenbrink sprang in die Bresche und verdiente sein Geld als Liederhörer. Er auf der Bühne, all die Liedermacher als zahlende Gäste im Saal.
So etwa steht es laut Theorien zur Aufmerksamkeitsökonomie um das Verhältnis von Angebot und Nachfrage im Informationsgeschäft. Das knappe Gut sind nicht mehr die Nutzungsangebote, knapp ist die Aufmerksamkeit. Je digitaler und vernetzter die Welt, desto günstiger lassen sich Werbebotschaften, aber auch Unterhaltungs- und Bildungsangebote herstellen und verbreiten. Für die möglichen Adressat*innen hat der Tag indes, nach wie vor, nur 24 Stunden.
Wer in diesem gesättigten Markt die Aufmerksamkeit aufs eigene Angebot zu ziehen vermag, kann sich damit nicht nur Einkommen verschaffen, sondern auch Status und Selbstwert sichern. Likes unter Beiträgen in sozialen Medien etwa verkörpern für viele Ruhm, Prestige, Prominenz. Zählbare Aufmerksamkeit gilt ihnen als soziale Leitwährung. «Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist die unwiderstehlichste aller Drogen», schrieb der Stadtplaner Georg Franck 1998 in seiner «Ökonomie der Aufmerksamkeit».
Dies gilt im Alltagsgeschwätz auf Insta und Twitter so sehr wie in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft: Gekauft, gewählt und zitiert wird nur, wer vorher mal wahrgenommen worden ist.
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Erklärt von: Daniel Perrin, Medien- und Sprachwissenschaftler, ZHAW