The Reality of Dreams
«Ich glaube, wenn ich mir angewöhne, ein wenig darüber zu schreiben, was passiert oder besser gesagt nicht passiert, verliere ich vielleicht ein wenig von dem Gefühl der Einsamkeit und Trostlosigkeit, das mir anhaftet.»
Mit beklemmender Offenheit und Eloquenz setzte sich Alice James in ihrem Tagebuch mit dem eigenen Tod auseinander. Im Gegensatz zur breiten Erziehung ihrer Brüder wurde ihr der Zugang zu einer Ausbildung verwehrt.
Aus der sich abzeichnenden gesellschaftlichen Randexistenz in erzwungener Nutzlosigkeit entwickelte sie früh eine Todessehnsucht.
Anknüpfend an James’ Ausführungen stehen Gedichte von Emily Dickinson, in denen geistige Weitläufigkeit ihre räumliche und soziale Begrenztheit findet. Es erklingen die Vertonung der chinesischen Komponistin Dong Zhou von vier Gedichten dieser beutenden amerikanischen Dichterin, eine Zeitgenossin von Alice James. Werke für Soloklavier von Dahae Boo und George Crumb sowie der Liederzyklus «Ich bin nicht tot» der in Frauenfeld wohnhaften Julia Schwartz, die ebenfalls aus Amerika stammt, bieten Auszügen aus dem Tagebuch einen musikalischen Rahmen. Julia Schwartz vertont expressionistische Lyrik aus dem frühen 20. Jahrhundert, welche mit dem Haupttitel "Ich bin nicht tot" sich deutlich in der Thematik positioniert. So dementiert Franz Werfel in Der Sonntag-Abend gleich zu Beginn eine besinnliche Stimmung:
Ha! Noch habe ich diesen Stern nicht verlassen!
Noch umfängt mich süß untätiges Leid.
Und ähnlich demontiert Georg Trakl in "Musik im Mirabell" die Erwartung von Wunderschönem (Mirabilis):
Ein Feuerschein glüht auf im Raum
Und malet trübe Angstgespenster.
Der Text der Uraufführung von Emre Şener basiert auf Tagebucheintragungen von Alice James.