Die Wucht des Satzes war es, der den deutschen Filmemacher Christian Petzold zu einer in der Gegenwart spielenden Neuinterpretation des Stoffs bewog. Seine Undine ist promovierte Historikerin und hält interessante Vorträge zur Berliner Stadtentwicklung, z. B. zur Etymologie des Städtenamens Berlin, hergeleitet aus dem Slawischen als trockene Stelle im Sumpf. Als Undine verlassen wird, befreit sie sich von ihrem Fluch, indem sie sich kurzerhand in den Industrietaucher Christoph verliebt, der in der geheimnisvollen Unterwasserwelt eines Sees arbeitet. Sind sie zusammen, schweben sie schwerelos durch Berlin.
Franz Rogowski und Paula Beer geben das Liebespaar ab, das Petzold bereits in «Transit» (2018) aufeinandertreffen liess. «Ich habe noch nie zwei Schauspieler*innen gehabt, die in so einer Jugendlichkeit zusammen tanzen konnten. Wenn die nebeneinander gegangen sind, wirkte es, als ob das jahrzehntelang von Pina Bausch choreografiert worden wäre.»
Am Ende von «Transit» ertrinkt sie, während er am Ufer auf sie wartet. Es ist sozusagen der Beginn von Petzolds moderner Geschichte einer Liebe auf Leben und Tod. Romantisch und wunderbar verspielt.
Liliane Hollinger ist Programmmacherin im Kino Cameo.