Ein Film, den man als kinematographische Poesie charakterisieren kann, ohne sich dabei eines Allgemeinplatzes bedient zu haben. Um Nachforschungen anzustellen, begibt sich ein russischer Dichter mit seiner in ihn unglücklich verliebten Dolmetscherin nach Italien. Am Zielort angekommen, begegnet er einem religiösen Exzentriker, was den Ausgangspunkt für eine facettenreiche Reflektion über Wahn und Spiritualität liefert. Nun, ein inhaltliches Résumé erfasst ein Gedicht nur sehr bedingt – dasselbe gilt für diesen Film.
Es ist seine Machart, die fasziniert, die Momente, in denen die formalen Mittel das Innenleben der Figuren widerspiegeln: Das Abtasten menschenleerer Szenerien durch die autonome Kamera macht die Einsamkeit des Dichters spürbar; leitmotivische Farben – das Türkis des Wassers, das Grün der Pflanzen, das Gelb der Flammen –, unterbrechen die beige-graue Monotonie der Kulissen, verbildlichen Ideen; markant lange Einstellungen laden zur Kontemplation ein, machen Details gewichtig und die Leere erdrückend: Wortlos loten die Bilder Emotionen aus. Allen Sympathisanten der Frühromantik und jenen, die immer einmal wissen wollten, wie viel Bedeutung im Nicht-Rauchen einer Zigarette liegen kann, sei der Film ans Herz gelegt. Wer sich des Weiteren in Tarkovskijs Werk und eine das Unglücklichsein nicht verteufelnde Weltsicht vertiefen will, dem sei sein online zugängliches Buch «Sculpting in Time» empfohlen.
Nostalghia kann in der Stadtbibliothek Winterthur unter der Signatur STUDIO NOSTAL # BD_936 ausgeliehen werden.
Julius Schmidt ist Filmliebhaber.