Hohe Buchen flankieren die kurze Allee, die mich zur Villa Sonnenberg führt. Nur das Geräusch von Tennisbällen ist zu hören, die auf dem Platz im hinteren Teil der 21 000 Quadratmeter grossen Gartenanlage in regelmässigen Abständen aufgeschlagen werden. Ansonsten ist es ruhig an diesem sonnigen Vormittag.
Die Villa Sonnenberg ist seit über 60 Jahren ein Zuhause für betagte Menschen. 1957 eröffnete die Hülfsgesellschaft Winterthur darin das Altersheim Sonnenberg. 1995 wurde dieses in ein Alters- und Pflegeheim umgewandelt. Seit 2007 ist es ein Wohnheim für Menschen mit Demenz.
Die Geschichte des Hauses kommt denn auch in seiner Architektur zur Geltung: Von der hohen Decke in der Eingangshalle hängt ein prachtvoller Kronleuchter, an den Wänden befinden sich verschiedene, in zarten Farben gemalte Ölgemälde, darunter ein Porträt von Anna Louise Biedermann, der letzten Eigentümerin der Villa. Durch die Bäume vor den Fenstern dringt kühles, grünes Licht hinein, und ein angenehm, würziger Duft von ätherischen Ölen liegt in der Luft. Wenn das geschichtsträchtige Haus umgestaltet werden soll, etwa durch den Einbau eines Lifts, hat der Heimatschutz stets ein Wort mitzureden.
Im Esszimmer sitzen vor gedeckten Tischen einige der Bewohner*innen und warten auf das Mittagessen. Während einige in Gedanken versunken sind, blättern andere in Büchern oder alten Fotoalben. Plötzlich kommt eine zierliche Frau auf mich zu und fragt verdutzt: «Was machen Sie hier?» Meinerseits etwas verdattert über die direkte und doch simple Frage, antworte ich lediglich: «Ich komme zu Besuch».
Momentan leben vorwiegend Frauen im Sonnenberg. Von den insgesamt 19 Bewohner*innen, sind gerade mal vier Männer. Noch vor einigen Jahren blieben die Bewohnenden durchschnittlich sieben bis acht Jahre in der Villa Sonnenberg. «Heute hat sich der Aufenthalt der meisten deutlich verkürzt», sagt Margreth Furrer, die seit sieben Jahren den Pflegedienst leitet. «Das liegt vor allem an den ausgebauten Spitex-Angeboten, die es kranken Menschen ermöglichen, länger zu Hause zu bleiben.»
Im Kontakt mit dementen Menschen sei das Wahrnehmen und Eingehen auf ihre Gefühle zentral. Es gehe zum Teil weniger darum, auf das explizit Gesagte verbal zu antworten, sondern deren Empfindungen zu validieren. «Man nennt das integrative Validation», fährt Margreth Furrer fort. Die Bestätigung der Gefühle trage dazu bei, dass sich demente Menschen verstanden und abgeholt fühlen.
Viele der Bewohner*innen haben ihr trautes Heim nur ungern verlassen. Da, wo es so sehr nach einem roch, dass man es selbst nicht wahrnehmen kann, und angesammelte Möbel an alte Zeiten erinnern. Umso wichtiger sei es, dass das neue Heim in der Villa Sonnenberg bei den Bewohnenden angenehme und, wenn möglich, vertraute Gefühle auslöse, meint Margreth Furrer.Über wiederkehrende Sinneswahrnehmungen soll implizites Vertrauen ausgelöst und ein «heimeliges» Gefühl ermöglicht werden. – Bei den Geschmäckern etwa. Die Köche*innen geben sich Mühe, sich an traditionellen Schweizer Gerichten zu orientieren, die viele Senioren*innen noch aus ihrer Kindheit kennen. Natürlich sind die Bedürfnisse nicht einheitlich, doch durch die begrenzte Grösse des Heimes sei es möglich, auch individuelle Wünsche wahrzunehmen und auf diese einzugehen, erzählt Margreth Furrer. Sie berichtet von einer Bewohnerin, die regelmässig den Drang verspürt, alleine und ausserhalb des eingezäunten Gartens spazieren zu gehen. So überlegt sich die Heimleitung gemeinsam mit den Angehörigen, ihr dies mit einem GPS-Ortungssensor zu ermöglichen.
Um die Offenheit des Heims zu gewährleisten, verzichtet die Villa Sonnenberg auf beschränkte Besucherzeiten für Angehörige. Die Bewohner*innen sollen die Möglichkeit haben, ihre Familie jederzeit zu sehen.