Es ist ein ruhiger Montagnachmittag auf dem Hügel beim Sennhof. Ein warmer Wind zerzaust die langen Gräser und Blumen im wilden Garten. Janosch, er hat das Präsidentenamt inne, und Isabel, sie ist für die Mietverträge zuständig, trinken Kaffee auf der Terrasse und erzählen mir von ihrem Alltag im Grienen.
Die Wohngemeinschaft wurde im Jahr 2000 gegründet und vorerst von einem Trägerverein finanziert. 2014 kam es wegen Differenzen zur Trennung vom Verein, der vorwiegend aus Bekannten und Verwandten der ursprünglichen Bewohnerinnen und Bewohner bestand. Die Genossenschaft für selbstverwaltetes Wohnen (GESEWO) kaufte das Grundstück und überlässt der Wohngemeinschaft bis heute weitgehende Autonomie bei der Gestaltung des Zusammenlebens.
Die Einwohnerinnen und Einwohner sind zwischen 18 und 40 Jahren alt. «Natürlich fühlt man sich nicht allen 20 Personen gleich nahe», meint Isabel. «Wenn der Lebensrhythmus ähnlich ist oder gerade ein gemeinsames Projekt realisiert wird, bilden sich manchmal engere Gruppen.» Dank dem weitläufigen Gelände, den verschiedenen Gemeinschaftsräumen sowie den individuellen Rückzugsorten bleibt den Grienis stets die Möglichkeit, sich von der Gruppe zurückzuziehen. Etwa die Hälfte lebt in Wagen, Jurten und kleinen Häuschen, die ums Bauernhaus verteilt sind.
Nichtsdestotrotz muss es einem entsprechen, in so einer grossen Gruppe zu leben. Potentielle Zuzügerinnen und Zuzüger können sich während einer Probezeit an das Gemeinschaftsleben herantasten, um herauszufinden, ob es ihren Vorstellungen entspricht. Auch das Grienen hält sich die Option offen, einer Bewerberin oder einem Bewerber abzusagen, sollte sich ein Viertel der Bewohnenden gegen einen Einzug aussprechen. Isabel wohnt seit letztem Sommer und Janosch seit drei Jahren im Grienen. Sie schätzen es, mit so verschiedenen Menschen zusammenzuleben, es finde sich stets jemand in ähnlicher Stimmung. Vor allem im Sommer entstehen die Begegnungsmomente häufig spontan um ein Feuer oder in der externen Küche.
Das grosse Grundstück bringt auch eine Menge Arbeit mit sich; die Bewohnerinnen und Bewohner müssen bereit sein anzupacken. Viele arbeiten regelmässig im Gemüsegarten oder im Stall. Letzterer muss jeden Tag ausgemistet und die Gänse, Hühner und Schweine gefüttert werden. Zudem muss für Heizungs- und Warmwasserzwecke Holz gehackt und zu Scheiterbeigen gestapelt werden.
Bei der monatlichen Sitzung wird gemeinsam reflektiert, es werden Probleme besprochen, Aufgaben verteilt und Projektvorschläge diskutiert. Aktuell suchen die Grienis nach einer Möglichkeit, die Hühner und Gänse auf dem Gelände frei zu lassen, ohne dass das angepflanzte Gemüse abgefressen wird. Ausserdem ist eine Gruppe von der Idee eines mit Holz eingeheizten Wellness-Hotpots angetan.
An Projekten sowie den nötigen Fertigkeiten zur Umsetzung fehlt es den Grienis nicht. Viele von ihnen sind auch im Beruf handwerklich tätig. «Das Leben in der Gruppe ermöglicht es, eine Menge voneinander zu lernen», meint Janosch. Auf dem Gelände befindet sich eine Velowerkstatt; Räder, Kettengetriebe und Lenker hängen von der Decke. Daneben stehen eine Schreinerei und eine kleine Schmiede.
Das Grienen ist ein Ort, an dem stets gewerkt, gewirkt oder etwas geflickt wird. «Wie ein Spielplatz für Erwachsene», umschreibt es Janosch. Zurzeit leben keine Kinder im Grienen. Dies war nicht immer so. Allerdings geniessen es die Grienis, keine Hausordnung mit vorgegebener Nachtruhe um 22 Uhr einhalten zu müssen. Natürlich müssen sie trotzdem Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen Bewohnenden nehmen. Das Organisieren von Konzerten in ihrer Hausbar sowie anderer Festivitäten ist eine weitere Spezialität des Grienen. In der Stadt ist die Wohngemeinschaft vor allem für ihr jährlich stattfindendes Openair bekannt. Dieses Jahr dauert es vom 15. bis 17. Juni.
Das Grienen lebt von Projekt zu Projekt und hängt stark von seinen Bewohnenden, deren Interessen, Möglichkeiten und Träumen ab. Die Einwohnerinnen und Einwohner wechseln rege, aus der Gründergeneration lebt heute lediglich noch ein Mitglied hier. So ist die Wohngemeinschaft in stetem Wandel und seine Zukunft ungewiss. Eins ist jedoch klar: Das Grienen ist für Isabel und Janosch kein kurzweiliges Experiment, sondern ein Zuhause.