Wir sehen ihn Elvis imitieren, als seltsamer Weirdo sowie als selbstgerecht-arroganter Aufschneider auftreten und beim Wrestling eine Hassfigur inszenieren, um die Meute aufzuheizen. Man kann über «Man on the Moon» schreiben, indem man seinen Inhalt wiedergibt. Aber man tut gut daran, innezuhalten und sich die Frage zu stellen: Wie soll man über «Man on the Moon» schreiben? Welchen Aspekt des Films hervorheben? Soll man Andy Kaufman erwähnen? Also den Anti-Comedian, dessen Leben in diesem an der Grenze zum Millennium veröffentlichten Biopic auf die Leinwand gebracht wird? Er, dessen Auftritte die Grenzen zwischen Schein und Sein ausloteten; der es dem Publikum radikal verunmöglichte, mit vorgefertigten Urteilen auf ihn zu reagieren und der die Vorstellung einer stabilen Identität subversiv unterlief? Oder soll man über Jim Carrey schreiben, der Andy Kaufman spielt und dessen performanceartige Interviews auf dem roten Teppich, in denen er erklärt, dass Hollywood nur ein einziger Schein sei, äusserst kaufmanesk wirken? Oder soll man über den Regisseur Miloš Forman schreiben, der seine Heimat, die Tschechoslowakei, nach dem blutigen Ausgang des Prager Frühlings verliess und dann in den U.S.A. – weiterhin – Filme drehte? Filme, die durch ihren raffinierten Humor die Ausschlussmechanismen der bürgerlichen, sich an Konventionen klammernden Gesellschaft aufdeckten: Der Umgang mit psychisch Kranken wird in «Einer flog übers Kuckucksnest» (1975) Thema, der Clash zwischen Hippies und militaristischer Stimmung während des Vietnamkriegs in «Hair» (1979), der Rassismus in den U.S.A. in «Ragtime» (1981). Oder soll man vielleicht über den von R.E.M. komponierten Soundtrack zum Film schreiben? Über den Song «Man on the Moon», in dessen Lyrics ein imaginärer Dialog mit Andy Kaufman geführt wird und der die Schlaglichter aus dem Leben des Anti-Comedians in sich bündelt?
All diese verschiedenen Aspekte sind Teil von «Man on the Moon» und jeder von ihnen macht den Film zu dem, was er ist, und geben ihm jene Aktualität, die ihm immer noch zukommt: Der Film rechnet mit der Wunschvorstellung ab, die Welt liesse sich durch leicht handhabbare Kategorien übersichtlich ordnen. Er wirft die Frage auf: Was ist der Mensch jenseits seiner sozialen Kostüme, jenseits der einfachen Antworten, jenseits der Symbole, in die er sich kleidet? Wer sich für diese Fragen interessiert, wird von «Man on the Moon» – im wahrsten Sinne des Wortes – «enttäuscht» werden.
Julius Schmidt ist Filmliebhaber.
«Man on the Moon» ist im September im Cameo zu sehen. Er ist Teil einer Reihe zu Miloš Forman.