«Ja, mit U spricht man das aus: Opu», so Donat. Nach ihrem Tod begibt sich der Enkel auf die Spurensuche nach einer Frau, die ihm eigentlich zeitlebens fremd geblieben ist: Bis zu ihrem Tod hat sie ihren Enkel gesiezt. Ungewollt schwanger kam sie als junge Frau in die Schweiz und schien nie richtig angekommen zu sein. Bis zum Schluss bleibt einem auch als Leser*in die holländische Grossmutter fremd. Die schon als Titel so rätselhafte Bezeichnung «Opoe» verliert ihren exotischen Klang nicht.
Donat sucht nach Gemeinsamkeiten zwischen ihm und seiner Grossmutter: «Wir sind beide in einer kleinen Kleinstadt geboren, beide am Rhein. Ich oben, wo er über die Felsen stürzt, und Opoe unten, wo er verästelt in die Nordsee fliesst.» Geschickt verschränkt Donat die Episoden aus Opoes Vergangenheit mit seinem gegenwärtigem Leben – das Leben eines jungen schwulen Manns, in dem noch vieles ungewiss ist: die Liebesbeziehungen zu Yuri, Levin und Joel, seine Zukunft. Sowohl auf der Erzählebene von Donat wie auch der Grossmutter bleibt vieles in der Schwebe und bruchstückhaft. Zurück bleibt ein vielleicht unbefriedigendes Gefühl, weil die vom Buch gestellten Fragen nicht wirklich beantwortet werden und die Figuren irgendwie fremd bleiben. Doch genau in dieser Vagheit liegt auch die Stärke dieses Texts, und sie macht ihn zu einem ungewöhnlichen, aber absolut lesenswerten Debüt.
«Opoe» umfasst 176 Seiten und wiegt 237 Gramm.
Martina Keller arbeitet bei den Solothurner Literaturtagen und organisiert Sofalesungen in Winterthur.