Es ist 2018, und unter dem Marx-Kopf in Chemnitz richten sich die Hitlergrüsse auf. Manja Präkels’ Buch handelt nicht von heute, sondern von einer Kindheit zwischen Bauernhöfen und Disco-Ställen in den späten 80er-Jahren. Zehdenick liegt vor Berlin, in der DDR. Mimi wächst hier als Tochter von Parteifunktionären auf, während sich ihr Freund Oliver mit den hiesigen Nazis verbrüdert. Er nennt sich Hitler und jagt mit den überall verankerten «Gorillas» die Langhaarigen im Dorf. Dann, als die Mauer fällt, hetzen und töten sie.
Der Roman bringt Licht an eine dunkle Stelle: Wie kommt es, dass gerade in der Ex-DDR der Faschismus aufflammt? Er gibt keine klare Antwort, er beschreibt nur. Etwa, wie es für junge Frauen nach dem Mauerfall fast unmöglich wird, eine Lehrstelle zu bekommen – und wie sie später applaudierend neben den prügelnden Glatzköpfen stehen. Er vermeidet aber ebenso, den Hass bloss auf eine Desillusionierung im Osten zurückzuführen.
Manja Präkels könnte das Buch der Stunde geschrieben haben. Das ist keine schöne Stunde, aber umso umsichtiger ist dieses Werk gemacht. Jetzt muss man es nur noch lesen – und auf keinen Fall in Zukunft vergessen. Denn es steht zu befürchten, dass es vielleicht mehr als das Buch nur dieser einen Stunde bleiben wird.
«Als ich mit Hitler Schnapskirschen ass» umfasst 280 Seiten und wiegt 379 Gramm.
Cédric Weidmann ist Redaktor bei delirium: www.delirium-magazin.ch