Menschen aus anderen Kontinenten, die darin auftraten, unterhielten das Publikum und bedienten rassistische Überlegenheitsgefühle. Dass dieses Phänomen mittlerweile vielen bekannt ist, haben wir wesentlich Rea Brändle zu verdanken. Die 2019 verstorbene Historikerin und Germanistin verfasste bereits in den 1990er-Jahren das Standardwerk «Wildfremd, hautnah» zu dem Thema, 2013 wurde es neu aufgelegt. 2007 schrieb sie ein Buch über den Togolesen Nayo Bruce, der vom Völkerschauteilnehmer zum -unternehmer wurde und befragte dafür auch dessen Nachfahr*innen. Brändle nahm in ihren pionierhaften Publikationen viel von dem vorweg, was heute von den Postcolonial Studies gefordert wird. Nun erschien posthum ein weiteres, nicht beendetes Buch von Brändle, herausgegeben von ihrem Lebensgefährten. Darin vertieft sie den bislang vernachlässigten Vorläufer der Völkerschauen auf Jahrmärkten sowie die Rolle der Wissenschaft, welche die rassistische Schaulust mit einem «pädagogischen» Anstrich zu überdecken versuchte. Kern des Buches ist eine während dreissig Jahren recherchierte Liste mit rund 3’500 Völkerschauen in ganz Europa – 22 fanden in Winterthur statt.
«Wilde, die sich hier sehen lassen» umfasst 288 Seiten und wiegt 779 Gramm.
Miguel Garcia ist Historiker aus Winterthur.