Für die Bildstrecke (S. 14) hast du 129 Spinde auf dem Sulzer-Areal fotografiert. Was hat das in dir ausgelöst?
GP: Ich musste an meine italienischen Grosseltern denken. Sie haben über 45 Jahre lang als Gastarbeiter*innen in der Schweiz gelebt. Danach sind sie in ihre Heimat zurückgekehrt. Manche Namen auf den Spinden haben mich an sie und das norditalienische Bergdorf, aus dem sie kommen, erinnert. Ich habe mich gefragt, wie es den Arbeitern ergangen ist, denen die Spinde gehört haben. Ob sie gerne in der Schweiz gearbeitet haben? Meine Grosseltern empfanden es als positiv, hier arbeiten und mit ihrem gesparten Geld in ihrer Heimat etwas aufbauen zu können. Trotzdem frage ich mich, wieso sie nicht geblieben sind. Ich vermute, es lag neben ihrer Sehnsucht nach Italien auch daran, dass sie in der Schweiz nicht von Anfang an willkommen geheissen wurden und hier lange keine Wertschätzung für ihre Arbeit erfahren haben.
Für deine Bildstrecke hast du ein Bild gewählt, das
im Kontrast zum Rest der Serie steht. Was war deine Idee dahinter?
GP: Die Arbeitsspinde und die damit verbundenen Themen der Gastarbeit und Migration wirken in der Bildstrecke wie etwas Historisches. Ich wollte einen Bogen ins Jetzt schlagen, denn die Thematik ist auch heute brandaktuell. Ich assoziiere mit den Bildern den Prozess meiner Einbürgerung, in welchem ich momentan drinstecke. Obwohl ich in der Schweiz geboren und aufgewachsen bin, bringt die Einbürgerung viele Hürden mit sich. Das lässt mich darüber nachdenken, wie schwer es für Gastarbeiter*innen gewesen sein muss, sich hier in der Schweiz wohl und willkommen zu fühlen. Zumal sie die Sprache nicht konnten und die Kultur nicht kannten.
Ein Grossteil der Bilder sind im Rahmen einer Auftragsarbeit entstanden. Achtest du als freischaffender Fotograf darauf, dass sich deine eigenen Interessengebiete, zum Beispiel Migration, in deinen Auftragsarbeiten widerspiegeln?
GP: Nein, darauf achte ich nicht. Ich würde mir wünschen, dass ich auch bei meinen Auftragsarbeiten vermehrt Themen wie Migration und Identität aufgreifen könnte. Leider entspricht dies nicht der Realität. Dass sich aus einer mehrjährigen Auftragsarbeit eine solche Bildstrecke ergibt, wie ich sie nun im Coucou zeigen kann, ist ein Einzelfall. Normalerweise nutze ich meine freien Projekte dazu, mich künstlerisch mit meinen Interessengebieten auseinanderzusetzen.