Aus der Distanz scheint es, als handle es sich um ein Pappmaché-Objekt; aus der Nähe wird ersichtlich, dass die Skulptur aus gefärbtem Aluminium besteht. Die Rede ist von Franz Wests Werk «Öl», das seit 1999 den Eingang des AXA Gebäudes ziert und seitdem viele ambivalente Reaktionen ausgelöst hat.
Die Sammeltätigkeit der AXA geht in die 1930er Jahre zurück, doch während früher vorwiegend Gemälde und Druckgraphiken lokaler als auch nationaler Kunstschaffender angekauft wurden, liegt der Fokus seit den 90er-Jahren vermehrt auf zeitgenössischen Werken im Bereich der Fotografie, der Installations- und Videokunst. Als das AXA-Gebäude 1999/2000 renoviert wurde, liess die Versicherungsfirma es mit elf künstlerischen Interventionen ausstatten – darunter auch «Öl» –, um der AXA zu einem neuen Erscheinungsbild zu verhelfen. Mit ihrem experimentellen Charakter sollten sie den Wechsel in der Unternehmensstruktur reflektieren – so die Stimmen aus der Kunstkommission.
Bei der Skulptur «Öl» handelt es sich nicht um das ursprünglich für den geladenen Wettbewerb entworfene Werk, mit dem West sich gegen seine sechs Konkurrent*innen durchgesetzt hatte, sondern um eine bereits im Vorfeld realisierte Arbeit des Künstlers, die ursprünglich für die Grünzone hinter dem AXA-Gebäude geplant war. 1998, bevor «Öl» nach Winterthur kam, stand das Werk in einem 20 Hektaren grossen Skulpturenpark in Antwerpen, zusammen mit weiteren Objekten des Wiener Künstlers.
Franz West zählte zu den bedeutendsten zeitgenössischen Kunstschaffenden Österreichs und erhielt 2011 an der Biennale Venedig einen Preis für sein Lebenswerk. Auch war er bekannt für seinen Humor. Dennoch teilen sich die Meinungen, wenn es um seine isolierten, ungegenständlichen Objekte in eigentümlichen Farben geht – Kunst soll das sein? Die Skulpturen zu lesen und zu kontextualisieren erweist sich als schwierig; gerade, wenn der Titel wie im Beispiel von «Öl» nicht als Hilfestellung dient. Vielleicht aber tut es die Aussage des Künstlers, die er einst zu seinen bunten, länglichen Dingern, seinen «körpererweiternden Sinnesprothesen» machte: «Wenn man Neurosen sehen könnte, sähen sie so aus».
Franca Bernhart hat Kunstgeschichte studiert. Sie arbeitet an verschiedenen Projekten im Bereich der Kunstwissenschaft und ist Co-Präsidentin der oxyd – Kunsträume.
Jonas Reolon ist freischaffender Kameramann und Fotograf.