Sans soleil (FR 1983)

Sans soleil (FR 1983)

«We do not remember. We rewrite memory much as history is rewritten.» – Chris Markers Filme umkreisen einen enigmatischen Aspekt der Menschlichkeit: das Gedächtnis.

So auch «Sans Soleil», ein Film, der mit einem poetischen Flickenteppich von Bildern das Erinnern erkundet – und damit Film als Gedächtnisspur benutzt. Bereits die ersten Bilder veranschaulichen diese Kraft des Kinos: Eine Aufnahme von drei scheuen isländischen Kindern, die, wie eine sanfte Frauenstimme sagt, den erfundenen Filmemacher an fernes Glück erinnert. Es handelt sich um ein Erinnerungsbild, das eine Vergangenheit (die eigene Kindheit?) in der Gegenwart aufleuchten lässt. Dieser unbeschreibliche Effekt der ersten Aufnahme, vielleicht vergleichbar mit dem Biss ins Madeleine bei Marcel Proust, verflüchtigt sich jedoch genauso rasch, wie die Aufnahme selbst – das uneinholbare Glück wird wieder Vergangenes. So sind die Reisebilder, die den Grossteil des Films ausmachen, eine Suche nach jenem Gedächtnissprung und seiner Funktionsweise. Dabei ahmt der Stil von «Sans Soleil» das Gedächtnis nach: Er hantiert frei mit Zeit, bringt Entferntes assoziativ zusammen, überlässt Anekdoten dem Strom des Vergehens. Zusammen mit der Frauenstimme, die fiktive Briefe des Weltenbummlers vorliest, erscheint alles wie ein kurzlebiger Traum von einer Zeit, die niemals war. So wie Erinnern stets auch Erzählen ist – und Vergangenes Geschichte.

 

«Sans Soleil» findest du auf Filmingo als Stream unter https://www.filmingo.ch/de/films/726-sans-soleil

Nico Uebersax ist Student der Filmwissenschaft an der Universität Zürich.

 

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