Winnipeg (CA 2007)

Winnipeg (CA 2007)

Was entsteht, wenn Michael Burns, der Präsident des kanadischen «Documentary Channel», den Slacker, Cineasten und 1920er-Nostalgiker Guy Maddin damit beauftragt, einen Film über seine Heimatstadt zu drehen? My Winnipeg.

Das Budget von rund 500’000 Dollar verwandelte der Winnipeger in eine schillernde «docu-fantasia», die sich aus 16mm- und Super-8mm-Film, Handykamera-Aufnahmen und Archiv-Footage zusammensetzt. In diesem Mahlstrom der Formate verschwimmt die Grenze zwischen Persönlichem und Sozialgeschichtlichem ebenso wie die zwischen Fiktionalem und Faktualen. Sogar die Grenze zwischen Leben und Leinwand sprengte der Film, zumindest insofern da der Voice-Over-Erzähler in ihm fragt «What if I film my way out of here?» und Maddin nach der Vorführung in Winnipeg «geteert und gefedert» aus seiner Stadt gejagt wurde – wie er in einem Interview behauptet. Ein Film also, der den Lebenslauf seines Machers umschrieb – wirklich bio-graphisch! Auch die Story dreht sich um das Reenacten der eigenen Familiengeschichte. Da die Mutter jedoch als mythische Über-Figur in allen Ecken der Stadt lauert und die Hockeyumkleidekabine des lokalen Stadions den Erzähler an seinen Vater erinnert (ja, der Film hat einen psychoanalytisch-surrealistischen Touch) kann von einer konventionellen Aufarbeitung nicht die Rede sein. Vielmehr wird die Familiengeschichte als untrennbar von den Entwicklungen Winnipegs dargestellt und beides wiederum stilistisch mit der Geschichte des Film überhaupt verbunden, denn My Winnipeg lässt sich als eine Hymne auf die Grossstadtsinfonien des frühen 20. Jahrhunderts verstehen: auf «Der Mann mit der Kamera», die «Berlin-Sinfonie», «Manhatta». Jene kinematographischen Kartographierungen der leuchtenden Grossstädte, zu denen sich nun, im frühen 21. Jahrhundert, auch das überschaubarere Winnipeg gesellt.

 

Julius Schmidt ist Filmliebhaber.

 

My Winnipeg kann in der Videothek Les Videos in Zürich ausgeliehen werden.

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